Se(e)hnsucht

Veröffentlicht: 9. Juli 2013 in Die Kundschaft
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Es ist warm. Es ist richtig warm. Es ist richtig richtig richtig warm. Und die Welt um mich herum geht schwimmen, futtert Eis und grillt im Garten. Und ich fahre Taxi und schlafe und fahre wieder Taxi. Irgendwie habe ich das Gefühl das Leben zieht ein wenig an mir und meinem Taxi vorbei 😦

Dabei sehne ich mich seit Tagen nur nach einem: Ausschlafen und an den See fahren, die Füßchen ins Wasser stecken und die Nase in ein Buch. Hach. Manchmal wenn ich aus meinem Taxifenster schiele wird die se(e)hnsucht wirklich groß und fast übermächtig. Vor allem wenn man bedenkt das auch wir im Taxi ein Sommerloch haben. Wir sitzen rum und tun irgendwie nicht viel. Jedenfalls nicht so viel das man das Gefühl hat es lohnt sich wirklich.

Heute Morgen, wo ich hier sitze, euch schreibe und zusehe wie ein neuer Sonnentag aufzieht, erscheint mir die vergangene Nacht irgendwie schräg. Ich hatte nicht viele Kunden.. 3 davon waren ziemlich nett und ich hatte wirklich schöne fahrten mit netten Gesprächen. Doch 2 Kunden waren echt richtig schlimm. Es begann mit der ersten fahrt des Tages. Es war noch recht warm und ich habe  einen Herren aus der Kneipe abgeholt. Es macht mir nichts aus noch zu warten bis man sein Bier ausgetrunken hat, doch wenn ich das Gefühl habe der Kunde will eigentlich gar nicht mit, wirds bissle doof. Aber was soll man machen. Den Kunden musste ich nicht nur unter harken, sondern ihn regelrecht zum Taxi schleifen wo er auch gleich fast wieder aus der Tür gefallen wäre hätte ich ihn nicht gehalten. Leute glaubt mir.. ich bin immer nett. Ehrlich. Aber heute Nacht ist mir nach 15 Minuten wartezeit bis der Herr sich bequemen wollte aus dem Taxi zu steigen die Hutschnur geplatzt. „Aber ich bin doch betrunken“ war irgendwie nach 20 Min wartezeit in der Kneipe die ich geduldig hingenommen habe, 15 minuten Wartezeit am Zielort irgendwie kein Argument mehr.

Also nach dem dritten mal bitten das er doch aussteigen möge, selbst ausgestiegen und den Kunden aus dem Taxi gezerrt  geholfen weil es schlichtweg nicht anders möglich war ohne das er

a. Umfällt

b. überhaupt den Willen zeigt auszusteigen

Er fand es dann super lustig sich halb fallen zu lassen und wieder musste ich ihn zur Haustür zerren. Ich bin dann ein wenig resoluter geworden und habe meine Stimme auch ein wenig erhoben. Aber es ging wirklich nicht anders.

Der zweite Kandidat fand es ultra lustig und cool mir mal kurz ins Lenkrad zu greifen weil er Hupen wollte. Sorry geht gar nicht. Der hat dann leider in dem Moment meinen schreck abbekommen in form von meiner Hand schwungvoll auf seiner Nase und meiner nicht sehr leisen Stimme die ihm klar machte das sowas nicht geht! Leid tuts mir ehrlich gesagt nicht. Er hat es provoziert. Wenn mir jemand ins Lenkrad greift kann ich in der Sekunde ja nicht wissen ob er hupen oder lenken will also schaltet mein Hirn automatisch auf „überlebensmodus“ und zack. Ich gebe zu ich bin da sehr sehr empfindlich. Ich stelle gerne Radio laut und leise, ich hupe auch gerne mal um wen zu grüßen und ich bin wirklich liberal.. Aber ich hasse hasse hasse hasse es wenn mir jemand einfach in meinen Bereich des Taxis kommt. Wirklich..ich hasse es. Und das hat Gründe:

1. „Lebe“ ich 12 Stunden täglich in der Karre, bin auf engem Raum mit völlig fremden Menschen und betrachte den Bereich von meinem Sitz und dem Bereich davor als meine Privatsphäre. Es fühlt sich für mich an als wenn jemand einfach in meine Küche geht den ich nicht kenne und sich am Kühlschrank bedient oder sich in mein Bett legt. Ich empfinde es einfach als respektlosigkeit in diesen einen kleinen privaten Bereich von mir zu kommen der „mir“ gehört.

2. Ich kenne diese Menschen nicht. Wie oben schon erklärt kenne ich den Kunden nicht. Ich weis nicht ob er nen netter ist, nen Psychopath oder jemand mit Suizidgedanken der mir ins Lenkrad fasst um mich in den Gegenverkehr zu bringen. Ich kann es schlichtweg nicht wissen und so reagiere ich in eben diesem Punkt sensibel. Für mich ist das Selbstschutz. Wenn mir jemand mein Lenkrad querstellt, hilft mir im Notfall das bremsen vielleicht auch nicht mehr. Und so kann ich bei Menschen die ihre Hand nach meinem Lenkrad ausstrecken einfach nur zu meiner eigenen Sicherheit vom schlimmsten ausgehen.

Irgendwo hört das liberal und freundlich und lieb sein auch mal auf. So lieb ich auch bin und so viel ich mir von Kunden auch gefallen lasse. Da ist wirklich meine persönliche Grenze wo es mit der freundlichkeit sofort vorbei ist. Diese Grenze sicher ich mir.

 

In dem Sinne lieben Gruß

Euer Nacht-Taxi

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